Eulenburg um 1950Geschichte der Eulenburg

Seit Mitte der 1930er Jahre beherbergt die Eulenburg das Museum, ein Bauwerk das schon auf den ersten Blick durch sein wuchtiges Äußeres mit dem den gotisch anmutenden Steilgiebel und seinen zahlreichen, oftmals schief und klein geratenen Fenstern ins Auge fällt.
Sie ist zweifellos eines der interessantesten Bauwerke in Rinteln, das in seiner stadtgeschichtlichen Bedeutung nur von Kirchen und dem Rathaus übertroffen wird.

Die Frühzeit der Eulenburg dürfte in die Zeit der Stadtgründung im 13. Jahrhundert zurückreichen. Die massigen Fundamente, die die Gestalt zweier aneinander gebauter Quadrate haben, lassen dabei auf einen Beginn als hochmittelalterlicher Wohnturm schließen.
Dies ist allerdings unsicher, weil hierzu nichts Urkundliches überliefert ist. Erst eine archäologische Grabung könnte mit etwas Glück eindeutigere Erkenntnisse bringen.

Mehr ist dagegen über die frühen Besitzverhältnisse der Eulenburg bekannt. Urkunden des späten Mittelalters sprechen davon, dass sie einer Adelsfamilie von Rottorp gehörte, deren Mitglieder wiederum dem Stift Möllenbeck über Generationen eng verbunden waren.
Die Rottorps brachten nach und nach die Eulenburg wie auch andere Besitzungen als Schenkung in das Stift ein, das ihnen ihren früheren Besitz wiederum als Lehen, also leihweise, zur Verfügung stellte. Gleichzeitig übernahmen mehrere Söhne weltliche Funktionen  in der Verwaltung des Stiftes, unverheiratete Töchter dagegen traten als Kanonissen ein und kamen so in den Genuss eines ebenso standesgemäßen wie gottgefälligen Lebens.

Als der mit der Eulenburg belehnte Zweig der Familie von Rottorper im Mannesstamm ausstarb, machten die Möllenbecker Kanonissen den Fehler, deren Besitz, der ja nur verliehen war, nicht wieder einzuziehen. Er wurde nun unter verschiedenen, mehr oder minder nahen Verwandten aufgeteilt, die darauf volle Eigentumsrechte erhoben.
Mitte des 15. Jahrhundert lösten Mönche des Reformorden der Augustiner-Chorherren die Kanonissen im Kloster ab und die bemühten sich die alter klösterliche Eigenwirtschaft wieder auszubauen. Ihnen blieb nun nichts anderes übrig, als die verlorenen Besitzungen zurückzukaufen. Dies geschah urkundlich 1483. Ein Jahr später, 1484, ließen sich die Mönche sicherheitshalber die alte Freiheit der Eulenburg von allen städtischen Lasten noch einmal durch den Rintelner Rat bestätigen. Dieser Urkunde ist auch die damalige bauliche Gestalt der Eulenburg zu entnehmen. Demnach handelte es sich um ein „Steenwerk“, d.h. um einen aus massivem Steinmauerwerk errichteten Baukörper. In der von leichtem Fachwerk geprägten Architektur des mittelalterlichen Rintelns war dies eine Besonderheit, die man als unverwechselbares Kennzeichen des Hauses erwähnte.

Für die Möllenbecker Mönche diente die Eulenburg als Stadthof des ranghöchsten Mönches, des Priors. Hierher, hinter die schützenden Stadtmauern, konnten sich die Ordensleute in unruhigen Zeiten zurückziehen. In Friedenzeiten nahm man hier Naturalienablieferungen der zinspflichtigen Bauern entgegen.

Mit der Reformation und der Umwandlung des Klosters Möllenbeck zu einem evangelischen Kanonikatsstift 1559 änderte sich für die Eulenburg zunächst wenig. Sie blieb unverändert der Stadthof des, nun evangelischen, Priors.
Im Jahr 1591, vor dem Hintergrund einer florierenden allgemeinen Wirtschaftslage, fanden sich die Stiftsherren sogar bereit, ihren Stadthof von Grund auf zu erneuern. Die Eulenburg erhielt weitgehend ihre heutige Gestalt. Über den Anlass dieser Sanierung kann man nur spekulieren. Möglich ist, dass ein Großfeuer weite Teile des alten Steinwerkes zerstört hatte und so eine Erneuerung vom Keller bis zum Dach erforderlich wurde. Darauf könnte auch eine weitflächige Brandschuttschicht hinweisen, die den Nordteil des heutigen Gebäudes in etwa einem Meter Tiefe umgibt.

Vermutlich unter Verwendung der altern Grundmauern erhob sich an der Stelle des früheren Gebäudes schon bald ein solider, aber eher nüchtern anmutender Verwaltungsbau, ohne die damals verbreitete, feierliche Ornamentik  der Weserrenaissance. Diese Schlichtheit dürfte einen gutem Grund gehabt haben. Die Stiftsherren wollten nicht der im protestantischen Norden Deutschlands allgemein schwelenden Kritik am Fortbestand des klösterlichen Lebens einen neuen Stein des Anstoßes geben. Prunk und Luxus durfte daher auch in wirtschaftlich guten Zeiten nicht die Visitenkarte einer geistlichen Stiftung sein. So verzichtete man nach außen auf teure Verzierungen und beschränkte den aufwendigem Dekor lieber auf die nicht jedermann zugänglichen Innenräume. Sie wurden im Stil der Weserrenaissance üppig ausgemalt. Ein kleiner Rest dieser Bemalung konnte jetzt durch einen Restaurator wieder freigelegt werden.
Das steile Satteldach, drei Vollgeschosse mit zwei- und dreiteiligen Fensteröffnungen, z.T. mit einer Hohlkehle umzogen und die zweiarmige Freitreppe mit Doggengeländer (im 18. Jahrhundert noch einarmig) sind bis heute die einzigen Charakteristika der Eulenburg geblieben.
Besonders typisch ist der steile Giebel. Er war einst mit schweren Sollingplatten gedeckt (wie die Nikolaikirche) deren Gewicht auf diese Weise besser auf die Außenmauern abzuleiten war. Vergleichbare Spitzgiebel aus dieser Zeit finden sich noch an der Extener Mühle oder dem ehemals Friesenhausenschen Hof, Ritterstraße 8.

Wenn uns auch über die Intention der Baumaßnahmen wenig bekannt ist, so gibt die Inschrift des Gebäudes aus dieser Zeit doch Auskunft über ihren Auftraggeber.  Sie lautet:
„S P P I M M F F  ANNO 1591“ und wurde gedeutet als „Structuram Pater Prior Jodocus Monasterii Mollenbeccensis fieri fecit anno 1591“, zu deutsch: „Dieses Bauwerk hat Pater Jodocus, Prior des Klosters Möllenbeck machen lassen, im Jahr 1591“.

Der genannte Pater Jodokus war der aus dem westfälischen Recklinghausen stammende Prior Jodokus Stuken. Unter seiner Führung, die von 1581 bis 1596 dauerte, erlebte das Möllenbecker Stift eine späte Blüte. Stuken machte sich unter anderem um die damals hoch angesehene Möllenbecker Lateinschule verdient. Sein heute nicht mehr vorhandenes Epitaph in der Klosterkirche pries ihn zudem als Wohltäter der Armen.

Ein bEulenburg von Süden, um 1910escheidenes Steinmetzzeichen und die Initialen „H…R“ neben der Inschrift von 1591 verweisen auf den ausführenden Bauunternehmer. Sie stehen für den aus Obernkirchen gebürtigen Hamelner Meister Henni Rotfeld.

Für einen weitgehend vollständigen Neubau des Hauses 1591 sprechen auch die Untersuchungsergebnisse des Detmolder Bauhistoriker Michael Sprenger. Sprenger, dem durch seine umfassenden Untersuchungen an Rintelner Häusern vor einigen Jahren die Dokumentation vieler bereits abgerissener Gebäude zu verdanken ist, ermittelte das Fälljahr der Bäume für die Decken- und Dachbalken. Das Ergebnis: Alle wichtigen, tragenden Hölzer sind im Baujahr 1591 geschlagen worden – kein einziger ist älter.

Nach dem Tode des Paters Jodokus Stuken, an der Wende zum 17. Jahrhundert, ging die letzte Blüte des Stiftes Möllenbeck zu Ende.  Die wirtschaftlichen Bedingungen verschlechterten sich, die Zahl der  „ehrenamtlichen“ Laienbrüder ging zurück und die bisherige Eigenbewirtschaftung der Ländereien musste Schritt für Schritt wieder aufgegeben werden.

So ist es zu erklären, dass der Hof 1606 zunächst an den schaumburgischen Kanzler Eberhard von Weihe zu Lehen gegeben wurde und schließlich, 1612, an die Stadt Rinteln für 1.100 Taler verkauft wurde.  Bürgermeister und Rat hatten allerdings weniger Interesse an dem Bau selbst als vielmehr an einem besonderen Recht, das seit alters her mit Besitz der Eulenburg verbunden war. So erlangten sie mit ihrem Erwerb gleichzeitig das Patronatsrecht über die Stadtkirche St. Nikolai, d.h. sie durften fortan die Besetzung der städtischen Pfarrstelle selbst bestimmen.
Nur wenige Jahre blieb die Eulenburg im Besitz der Stadt. Dann erwarb sie die Landesherrschaft. 1651, vier Jahre nach der Teilung der alten Grafschaft Schaumburg, wurde Rinteln Regierungssitz des hessischen Anteils. Nun zogen mit der neuen Regierungskanzlei und dem Obergericht die beiden höchsten schaumburgischen Institutionen in die Eulenburg.

Beim Einzug der Regierung befand sich das Gebäude in schlechtem Zustand. Setzungsrisse, verursacht durch den weichen Untergrund, brachten die Statik in Gefahr. 1662 erfolgten daher erneut umfangreiche Umbauten. Starke Eichenbalken stützten die Wände und Zwischendecken nach innen gegeneinander ab, gleichzeitig unterteilte man die Räume in kleinere Kammern und Schreibstuben.

Wenig später, zwischen 1665 und 1712, wurde die Mühlenexter über das Gelände der Eulenburg verlegt. Bis heute fließt sie hier über eine Strecke von rund 80 Meter nicht außerhalb, sondern innerhalb der Stadtmauer.
Die Gründe für diese Umleitung sind nirgendwo eindeutig belegt. Wahrscheinlich aber ist, dass die Symmetrie der neuen Festungswallanlagen eine Verkürzung dieser stark vorspringenden Stadtecke erforderte. Um nicht die gesamte Verteidigungsanlage entsprechend größer gestalten müssen, zog man es vor, die Exter in diesem Bereich an der Innenseite der Mauer herumzuführen. Gleichzeitig erhielt damit der Garten des Kanzleidirektors einen beschaulich-romantischen Bachlauf von besonderem Reiz.

Die Verlegung der Exter hinter die Stadtmauer hat sich in der Folgezeit wiederholt auf besondere Weise gerächt. Mehrfach drang später genau an dieser Stelle das Weserhochwasser zuerst in die Stadt. Zudem ist Keller der Eulenburg ist bis heute so feucht, dass er kaum sinnvoll genutzt werden kann.

Es sollten nicht die einzigen Umbauten bleiben. 1761, als überlegt wurde, ob das Obergeschoß zum astronomischen Observatorium für die Universität ausgebaut werden könne, scheiterte dies jedoch an den unterschiedlichen Dachstühlen von Nord- und Südflügeln.

Mehr als 200 Jahre gingen nun Generationen schaumburgischer Beamte in der Eulenburg ein und aus. Mit wohlklingenden Titeln, die ein Stück von der barocken Prachtliebe ihrer Epoche zeugten: Regierungspräsidenten und -direktoren, Kanzlei- und Justiz- und Konsistorialräte, Assessoren, Koreferenten, Sekretäre, Skribenten, Kanzlisten und Accessisten, Archivare und Registratoren, Pedellen und Kanzleiboten.

Im Sessionszimmer, dem Sitzungszimmer der Regierung, musste bei allen offiziellen Zusammenkünften der Räte stets ein Stuhl frei bleiben. Er war symbolisch dem Regierenden hessischen Landgrafen zugedacht, der nur in Gestalt eines großen Porträts zugegen sein konnte. So etwas war alles andere als ungewöhnlich. Auch in Hannover, in Personalunion vom fernen London aus regiert, wurde es so gehandhabt. Dort stellte man bei festlichen Anlässen das Gemälde des abwesenden britischen Monarchen direkt auf den Stuhl an der Tafel, und tanzte beim Menuett gar um das Porträt herum, ganz so als sei Seine Königliche Hoheit höchstselbst zugegen. Zwar mutete diese Szenerie auch Zeitgenossen befremdlich an, doch blieb dieses Ritual bis zum Ende des 18. Jahrhundert üblich.

Nicht nur die Regierung, sondern auch die politischen Landesvertretung tagte in der Eulenburg. Im 17. Und 18. Jahrhundert traten hier wiederholt die Landtage zusammen. Dieses erste schaumburgische Parlament – bestehend aus Vertreten der Stifte, des Adels und der Städte – hatte Mitspracherecht in allen Steuer- und Finanzangelegenheiten der hessischen Grafschaft.

Als Wohngebäude für den Regierungspräsidenten selbst wurde Anfang des 18. Jahrhunderts der benachbarte Stiftshof hinzugekauft. Er befand sich vorn an der Klosterstraße und musste 1898 dem Bau des heutigen Rathauses weichen. Zwischen ihm und der Eulenburg, auf dem Gelände des heutigen Rathaus-Parkplatzes, erstreckten sich großflächige Gartenanlagen, deren Nutzung dem Regierungspräsidenten und seinem Dienstpersonal zustand. Noch im 15. Jahrhundert war hier Hopfen angebaut worden, im 18. Jahrhundert diente er teils als Zier-, teils als Gemüsegarten. Erst nach dem 2. Weltkrieg planierte und pflasterte man ihn zu einem Abstellplatz für Autos.

Im Laufe des 19. Jahrhunderts verlor Rinteln mehr und mehr seine alte Bedeutung. Die Regierung, wurde zur Regierungs-Deputation und schließlich zum Landratsamt herabgestuft, und letzteres bezog nach 1866 den alten Stiftshof an der Klosterstraße. Die Eulenburg verwaiste und drohte zu verfallen.
Um 1870 erwarb sie ein Privatmann aus Homberg/Efze, der Komponist und Musiklehrer Wilhelm Valentin Volckmar. Volckmar, ein Jugendfreund Dingelstedts und Schwager des Jagdmalers Chritian Kröner, war in Rinteln aufgewachsen und der Weserstadt zeit seines Leben eng verbunden. Mit fortgeschrittenem Alter wünschte sich der erfolgreiche Komponist in seine alte Heimatstadt zurück und erwarb die Eulenburg, um hier seinen Lebensabend zu verbringen. Vorläufig blieb das Gebäude als Wohnhaus vermietet. Zur Übersiedelung nach Rinteln kam es allerdings nicht, das Haus dämmerte, eingewachsen von hohen Efeuranken in einem Dornröschenschlaf dahin.

Ein, glimpflich verlaufener, Blitzeinschlag am 16. Juni 1900, tat ein Übriges, Sanierung oder Abriss des zuweilen als „alten Steinhaufen“ verachteten Gebäudes war nun die Frage. Glücklicherweise fand sich eine neue, sinnvolle Nutzung– als Alumnat, d.h. als Schülerwohnheim des Königlichen Gymnasiums. Zu diesem Zweck wurde 1904 auch einiges Geld investiert, für Toiletten, neue Fenster und einen geräumigen Treppenhausanbau nach hinten zur Mühlenexter. Bis 1932 verbrachten hier auswärtige Schüler aus betuchtem Elternhause unter der Regie einer Haushälterin und dem prüfenden Blick eines Hilfslehrers ihre Wochentage. Dann machten Autobusse und die Extertalbahn das Wohnheim überflüssig.

Das Vakuum nutzte für einige Jahre eine Landwirtschaftsschule, bis 1934-1938 nach und nach das Museum vom Kirchplatz hierher verlegt wurde. Rings um das alte Gemäuer entstanden gleichzeitig schon Gebäude für die Zwecke des benachbarten Krankenhauses, das nach Kriegsbeginn auch die Eulenburg nach und nach in Beschlag nehmen sollte. 1946, als tausende Flüchtlinge in Rinteln untergebracht werden mussten, wurde das Museum auf zwei Zimmer zusammen gepfercht und schließlich ganz ausgelagert – ein Teil seiner Bestände ging dabei für immer verloren.

Mehr als 20 Jahre blieb die Eulenburg im Dienst des Krankenhauses. Im Erdgeschoss und 1. Obergeschoss befanden sich die Verwaltung, darüber eine Arztwohnung und unter dem hohen Dach, das bis in den letzten Winkel ausgebaut war, drängten sich noch Wohnungen und Kammern für Schwestern und Angestellte.

Die Regie des Krankenhauses war es auch, die für die Eulenburg schließlich beinahe das Ende bedeutet hätte. 1962 wurde ein Antrag auf Abbruch gestellt, man benötigte die Fläche für weitere Ergänzungsbauten für das Krankenhaus. Glücklicherweise kam es dann aber doch anders, denn Pläne für einen Krankenhausneubau in der Nordstadt tauchten auf und verschafften dem historischen Gemäuer eine Atempause. 1966 zogen Ärzte und Schwestern dann endgültig in die Sauerbruchstraße.
Erst jetzt war die Gelegenheit, über eine langfristige und angemessene Nutzung der Eulenburg nachzudenken. Man entschied sich im Kreistag für einen Wiedereinzug des Museums, diesmal großzügiger als noch in den dreißiger Jahren. Der Heimatbund konnte das gesamte Gebäude für seine Dauerausstellung nutzen.

Stefan Meyer

Der Name „Eulenburg“
Die Frage nach dem Namen der Eulenburg ist ungeklärt. Am wahrscheinlichsten ist die Ableitung von „Eolenborg“ = Alte Burg. Doch auch andere Deutungen wären möglich. Etwa die die studentensprachliche Verballhornung des Sitzes der fürstlichen Regierungskanzlei als „Eulenburg“.
Die Ableitung von „Alte Burg“ hat immer wieder zu der Vermutung geführt, hier könne sich die in einer Urkunde des 14. Jahrhundert für Rinteln belegte herrschaftliche Burganlage befunden haben.  Diese „Burg“, lag, wenn es sie denn tatsächlich gegeben hat, wohl eher im Bereich von Münchhausenhof und Parkhof am Südostrand der Stadt, auf einem Gelände das noch im 16. Jahrhundert noch den Schaumburger Grafen gehörte.

Die Eulenburg. Museum Rinteln.